Auf der anderen Seite sind für Anlagesuchende Nachfolgeregelungen schon eine attraktive Investment-Möglichkeit. Denn mit dem Unternehmer-Eigentümerwechsel oder der Aufnahme neuer Aktionäre ergibt sich oftmals ein neuer Input, neue strategische Sichtweisen und der Zugang zu zusätzlichen Branchen- und Industrienetzwerken, die dem Unternehmen neue Wachstumspotentiale bieten können, häufig auch in Kombination mit einem Kulturwandel, der neue Energien freisetzen kann.
Aber wie sieht denn eine solche Situation bei Nachfolgeregelungen über die Börse denn aus? Zwar sind familiengeführte Börsengesellschaften besser in ihrer Performance als rein managergeführte Börsenunternehmen (siehe Studie vom Credit Suisse Research Institute, „the CS Family 1000 in 2018“, September 2018). Das liegt aber wohl auch daran, dass die Unternehmensfamilie doch unverändert einen Großteil ihres Vermögens im Unternehmen investiert halten und dort entweder als Vorstand oder als Aufsichtsrat aktiv ist. Das ist auch bei der Knorr-Bremse AG der Fall, bei der die Familie auch nach dem Börsengang noch 70 Prozent der Aktien hält. Zumindest jetzt am Anfang.
Auch die Governance Regelungen, die versuchen die Interessen von angestellten Managern und Aktionären gleich zu schalten, gilt es zu berücksichtigen. Diese sind für börsennotierte Familiengesellschaften aus Sicht der übrigen Aktionäre von untergeordneter Bedeutung, aber für die Gesellschaften selbst und damit Aktionäre mit hohen Streubesitzanteil schon wichtig.
Dort kann ich mir vorstellen, dass man durch die Vielzahl zusätzlicher gesetzlicher Restriktionen aufgrund der Kapitalmarktnotierung mehr auf diese fokussiert ist um nicht angreifbar zu sein, als sich auf die langfristige Unternehmensweiterentwicklung konzentrieren zu können. Langfristiges Agieren wird nicht wahrgenommen oder nicht in entsprechender Weise honoriert und deckt sich häufig auch nicht mit den Erwartungen der Aktienanalysten, denen der Vorstand von Quartal zu Quartal gerecht werden muss. In abgeschwächter Form wird dies auch für Familiengesellschaften an der Börse gelten, damit diese nicht vom Kapitalmarkt „abgestraft“ werden.
Nicht börsennotierte mittelständische Unternehmen haben es dagegen – auch in Rahmen der Nachfolgeumsetzung – doch deutlich leichter und auch deren Unternehmer, da sie sich ausschließlich auf die Weiterentwicklung Ihrer Gesellschaft konzentrieren können, selbst wenn sie dabei teilweise ihre Hausbank mit „ins Boot nehmen“ müssen. Die Partners Group AG, Schweiz, hat im Frühjahr 2018 ein „White Paper“ herausgegeben und vergleicht darin die Performance börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften. Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, dass durch die „Corporate Correctness“ der Verantwortlichen börsennotierter Gesellschaften sich diese nicht so weiterentwickeln, wie nicht börsennotierte Unternehmen. Die Konzentration auf die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorschriften sowie alle notwendigen permanenten Kommunikations- und Selbsterklärungsbemühungen stellt, so Partners Group, die Weiterentwicklung in die zweite Reihe.
Zudem gilt es neben den genannten Zwängen weitere Regularien zu erfüllen, die mit der Finanzierung über die Börse verbunden und mit signifikanten Kosten verbunden sind. Zu nennen sind Berichtspflichten, die im Rahmen des Jahres- oder Halbjahresabschlusses anfallen, ebenso wie die Kosten zur Erfüllung der Mitteilungspflichten, wie etwa Ad-hoc-Meldungen. Vielleicht ist das ja auch der Grund dafür, dass das Delisting z.B. in Deutschland zugenommen haben, so dass sich die Anzahl der börsennotierten Gesellschaften zwischen 2013 und 2017 um immerhin deutliche 25 Prozent reduziert hat (Deutsche Börse AG: Monatsstatistik Kassamarkt).
Nicht börsennotierte Beteiligungsgesellschaften sind zur Umsetzung von Wertsteigerungen ihrer Beteiligungen dagegen auf mittel- bzw. langfristige Strategien festgelegt. Meist nicht operativ tätig konzentrieren sie sich auf die Rolle als aktiver Gesellschafter.
Wenn also Anlagesuchende die Unterstützung von Nachfolgeregelungen als einen für sie attraktiven Investmentanlass ansehen (was ich mehr als sehr gut nachvollziehen kann) haben sie somit die Wahl zwischen Familien-geführten börsennotierten Gesellschaften, bei denen eine abgemilderte Form der Corporate Correctness solange gegeben ist, solange die Familie in führenden Funktionen im Unternehmen tätig ist und die Aktienmehrheit hat, und einem Investment an einer Beteiligungsgesellschaft.
Die Beteiligung an mittelständischen Holdings, die solche Nachfolgeregelungen außerhalb der Börse mit Eigenkapital unterstützen, bieten für den Anleger dagegen eine gleichgerichtete Interessensicherheit. Hier entfallen börsenaufsichtsrechtliche Kontrollformen vollständig. Die gesamte Energie geht in die Weiterentwicklung der Portfolio-Unternehmen und bietet dem Anleger die optimalen Ausgangsvoraussetzungen für die Begleitung in eine nächste Wachstumsphase bzgl. der Anlageattraktivität.
Vielleicht ist das insgesamt betrachtet einer der wesentlichen Gründe dafür, dass Staatsfonds, Pensionsfonds und Versorgungswerke zunehmend – unter Berücksichtigung ihrer Cash Flow Pläne – in einem deutlich größeren Umfang Kapital in nicht börsennotierte Beteiligungsgesellschaften investieren?
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